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Zum 75. Todestag von Siegfried Wagner

Internationale Siegfried Wagner Gesellschaft e.V., Bayreuth

 

»Von Gottes Gnaden nennt man solche Menschen«

Ein Regenbogen spannte sich am 4. August 1930 über den Bayreuther Abendhimmel. Am Nachmittag um halb sechs Uhr ist an diesem Tag Siegfried Wagner gestorben. Ein Herzanfall beendete das Leben des Komponisten, Dirigenten und Bayreuther Festspielleiters. Seit 1908 hatte der Sohn Richard Wagners die Verantwortung für die Festspiele getragen; seine letzte Inszenierung, der »Tannhäuser«, hatte unter Leitung Arturo Toscaninis wenige Tage vor seinem Tod die sommerliche Saison eröffnet.

Als Siegfried Wagner am 6. Juni 1869 in Tribschen geboren wurde, zwitscherten die Vögel und tauchte die Morgensonne das Land am Vierwaldstättersee in ein flutendes Orange. Vater Richard Wagner hat sich von dieser Morgenstimmung für sein »Siegfried-Idyll« inspirieren lassen. Cosima Wagner, noch Ehefrau des Dirigenten Hans von Bülow, beschrieb damals schon, was sie von ihrem Sohn und dem einzigen männlichen Nachkommen Wagners erwartete: Siegfried sollte das väterliche Erbe verwalten und »Schützer und Geleiter« seiner Schwestern sein. Sich von der väterlichen Last zu befreien, gelang dem Sohn weder äußerlich noch innerlich. Den Abstand musste er sich erkämpfen; in seinen siebzehn eigenen Opern hat sich das »Genie im Schatten« – so der Titel der massgeblichen Biographie von Peter P. Pachl – allerdings vom übermächtigen Vorbild gelöst. Siegfried Wagner geht mit seinen Bühnenwerken auf selbst geschriebene Textbücher einen individuellen Weg, den er von Anfang an souverän beschreitet.

1872 zieht »Fidi« mit der Familie nach Bayreuth. Er wird von Privatlehrern unterrichtet, begibt sich mit seinen Eltern häufig auf Reisen, besucht 1883 nach dem Tod seines Vaters das Bayreuther Gymnasium. Mit 21 Jahren beginnt er in Berlin ein Architekturstudium, nachdem er sich nur auf Wunsch seiner Mutter ein Jahr bei Engelbert Humperdinck, dem Schöpfer von »Hänsel und Gretel«, musikalisch ausbilden ließ. Nach einer ausgedehnten Ostasienreise schlägt er dann endgültig den Weg zum Musiktheater ein: Von der Pike auf lernt er das Handwerk bei den Festspielen. 1896 schon leitet er als Dirigent erstmals einen »Ring«-Zyklus. Gustav Mahler ist unter den Zuhörern und bescheinigt dem Debütanten eine Vereinigung von Begabung und Naturell: »Von Gottes Gnaden nennt man solche Menschen«.

Noch vor dem Ersten Weltkrieg inszeniert Siegfried auch am Grünen Hügel. Seine »Meistersinger« von 1911 wurden als Durchbruch der Moderne in Bayreuth gelobt und bekämpft. Er wagt sogar, den Uraufführungs-»Parsifal« behutsam zu verändern. Mit einem »Tristan« gelingt ihm 1927 eine aufsehenerregende Neudeutung. Wagner muss mit unermüdlichem Arbeitseifer für die Finanzierung der Festspiele sorgen, denn der Kartenverkauf selbst in den »goldenen« Zwanzigern ist nicht mit dem heute herrschenden internationalen Ansturm zu vergleichen. Siegfried reist durch Europa, dirigiert, komponiert und bringt eigene Opern und die Werke seines Vaters zur Aufführung.

Als Komponist debütiert Siegfried Wagner 1895 mit einer symphonischen Dichtung mit einem für ihn bezeichnenden Titel: Sehnsucht. An seinem 26. Geburtstag dirigiert er die Uraufführung in der Londoner Queens Hall. Der legendäre Dirigent Hans Richter bemerkt enttäuscht, aber zu Recht, dass sich Siegfried nicht auf die Spuren seines Vaters Richard Wagner begibt. Er sucht einen eigenen Weg. Die 1899 in München uraufgeführte Erstlingsoper Der Bärenhäuter wird ein sensationeller Erfolg: Ein Jahr später wird das Werk zur meistaufgeführten Oper der Spielzeit. In schneller Folge vollendet Siegfried weitere Opern, unter denen Sternengebot, Schwarzschwanenreich und die Märchenoper An allem ist Hütchen Schuld ! herausgehoben seien.

In seinen Opern spiegelt sich Siegfried Wagners komplexe, unkonventionelle und ungebundene Persönlichkeit. Seine homosexuellen Neigungen werden heute kaum mehr geleugnet. Mit dem von seiner Frau Winifred vergötterten Adolf Hitler und der braunen Bewegung konnte er nach anfänglichem Wohlwollen bald nichts mehr anfangen. Siegfried distanzierte sich deutlich, auch in seinen Werken, vom Nationalsozialismus. Sein früher Tod ersparte es ihm, den Siegeszug der Nazis miterleben zu müssen. Nach dem Krieg wurden seine Werke nur noch vereinzelt aufgeführt, obwohl ihre eigen geprägte Musik und psychologische Vielschichtigkeit für kluge Regisseure eine reizvolle Herausforderung wäre. Am 10. November 2005 wird in Fürth Wagners Oper Der Kobold Premiere haben. In Bayreuth ist am 22. August ein Gedenkkonzert geplant.


Werner Häußner

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