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Kurzreferat anlässlich des Symposions 2001 in Köln

Der Standort in Frankreich

Die französische Musikbewegung – die sogenannte  »Ecole de musique française« – kann auf eine Reihe von Komponisten des sehr 19. Jahrhunderts verweisen: es gibt lyrische Musik – etwa von Charles Gounod (1818 – 1893), Georges Bizet (1838 – 1875), Jules Massenet (1842 – 1912) –, symphonische Musik – Camille Saint-Saëns (1835 – 1921), César Franck (1822 – 1890) – und auch post-romantische, und natürlich Orgelmusik (César Franck und viele andere, die für Cavaillé-Coll-Orgeln komponiert haben. Aristide Cavaillé-Coll, 1811 – 1899, war ein französischer Orgelbauer; er hat z. B. Orgeln für Notre-Dame de Paris, Saint-Sulpice und Saint-Roch gebaut. Er ist für Frankreich genau so wichtig wie Gottfried Silbermann und Arp Schnitger für Deutschland).

Am Anfang des 20. Jahrhunderts lebten viele französische Komponisten, die Zeitgenossen Siegfried Wagners waren: Gabriel Fauré (1845 – 1924), Claude Debussy (1862 – 1918), Maurice Ravel (1875 – 1937), Paul Dukas (1865 – 1935), Albert Roussel (1869 – 1937), Florent Schmidt (1870 – 1958) … nicht zu vergessen die Richard-Wagnerianer: Emmanuel Chabrier (1841 – 1894), Jules Massenet (1842 – 1912), Louis-Etienne Reyer (1823 – 1909) und so weiter.

 
Rezeption in Frankreich

Claude Debussy als Leitfigur ist bekannt für seine  Persiflage (der richtige Ausdruck ist »avoir la dent dure«; »Wildheit«  und »Grausamkeit« wären jedoch zu starke Worte dafür) gegenüber Siegfried Wagner. Gewöhnlich kritisierte er jemanden durch die Presse und in seinen Briefen. Er schrieb über Déodat de Séverac: »Seine Musik duftet«; über Grieg: »Diese Musik klingt wie Bonbons mit Schnee«; und vieles andere. Siegfried Wagner kritisierte er als Sohn seines Vaters: »Man wird nicht Komponist wie man Kaufmann wird«, schrieb er in »Monsieur Croche«.

Spricht man über diese Frage heute? Einige Beispiele müssen zitiert werden. Ein populärwissenschaftliches Taschenbuch, »L’opéra de 1597 à aujourd’hui« (»Opern von 1597 bis jetzt«, Verlag Mondadori Milano 1977, Ramsay Paris 1979), dessen Vorrede Rolf Liebermann geschrieben hat, spricht nicht über Siegfried Wagner; die Revue »Opéra International« auch nicht; dieses Phänomen gibt es in Frankreich wie in anderen Ländern Europas. Zu viele Leute verwechseln heutzutage die beiden Künstler aus Bayreuth, den Vater und den Sohn, wie auch die Enkel und die Urenkel – sogar in Radio und Fernsehen.

 
Siegfried Wagners Musik in Frankreich

In der »Association«, einem freundlichen, musikalischen und kleinen Kreis in Paris, hatte ich einen originellen Vorschlag realisiert: wir sprachen (ein bisschen) über Siegfried Wagners Leben, seine Musik und seine Opern; eine Präsentation mit vielen Musikbespielen dauerte 4 Stunden. Vor einigen Jahren hatte Prof. Dr. Pachl mir einige Kassetten mit Kompositionen von Siegfried Wagner geschickt; diese Musik war für die Musikliebhaber eine interessante Entdeckung und eine echte Überraschung. Zunächst war die Rezeption gut; die Hörer waren neugierig und aufnahmebereit. Sie hörten neue Stimmen und Chöre, neue Orchester und Dirigenten. Das klappte, glaube ich sehr gut. So konnten wir der »Association« zeigen, dass diese Musik und der Mann, der Komponist, der Librettist, der Regisseur, der Festspielleiter – also der gesamte Künstler Siegfried Wagner – ausserordentlich kreativ war. 

Der Kontext: die unbekannten und entarteten Komponisten sollten kennengelernt werden. Ein Freund und ich hörten oft und liebten Musik von Korngold, Krenek, Goldschmidt, Ullmann, von Zemlinsky, Berg, Braunfels usw. Wir stellten Musikbeispiele der genannten Komponisten der Association vor. Die Antwort der Hörer war: »Das ist zu modern, das stört uns …« Und Siegfried Wagner kumuliert hartnäckige Vorurteile. Es gab von mir keine neue Anregung … die Kunstliebhaber sind manchmal wankelmütig und unbeständig.

Ich habe im Jahre 2000 an zwei Verleger geschrieben, um sie zu fragen, ob sie das Buch »Siegfried Wagner – Genie im Schatten« von Peter P. Pachl in französischer Übersetzung verlegen würden. Der erste, ein prominenter Verleger, dessen musikalische Sammlung sehr bekannt ist, antwortete relativ bald – diese Antwort war negativ. Der zweite, ein unabhängiger Verleger, der immer unterwegs und unerreichbar ist, liess sich mehr Zeit und antwortete erst jetzt im Oktober 2001. Die Kritik lautete: »Dieses Buch ist sehr interessant, aber die Übersetzung kostet kollossal viel Geld. Der Verlag sieht keine ausreichenden Absatzmöglichkeiten des Werkes.« Mit einem Wort: »Es rechnet sich nicht.« Wir haben uns nur 3 Minuten unterhalten.

Siegfried Wagners Musik hat »un succès d’estime«, schreibt Pierre Flinois in seinem wichtigen Buch »Le Festival de Bayreuth« (Edition Sand, 1989); er zitiert das Buch von Peter Pachl »Siegfried Wagner«.

Deshalb möchte ich abschließend einen Vorschlag machen: ich wünsche mir eine französische Übersetzung der Internetseiten der ISWG in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Pachl, Prof. Albert, Dr. Sabine Busch-Frank und natürlich mit dem Webmaster der ISWG, Achim Bahr. Durch Richard Wagner und die Internet-Links könnten wir vielleicht des Sohnes Musik publik machen … Vielleicht gibt es auch noch eine andere Strategie: junge Musiker und Orchester, die das Originelle suchen, haben am liebsten Raritäten. In Frankreich existiert ein Wort dafür: »une niche« – eine Nische. Aber wer kann solche Orchester finanziell unterstützen?

Noch eine letzte, kurze Mitteilung: Am Sonntag, den 21. Oktober 2001, findet eine Sendung auf »France Musique« (das nationale Radio) statt; das Thema ist »Colette und die musikalische Kritik«. Colette, die französische Schrifstellerin (1873 – 1954), besuchte Bayreuth als Gast vor dem ersten Weltkrieg. Sie hat neben vielen Romanen auch Musikkritiken und darin einige kritische Sätze über Siegfried Wagner geschrieben. Vielleicht wird der »Heimat Kurier« Nr. 3/2001 (das historische Magazin des Nordbayrischen Kuriers), in dem dieser große Bericht über Colette stand, ja von einigen französischen Kulturmanagern gelesen? (…)

Ich möchte mich herzlich bei Dr. Sabine Busch-Frank und Hans-Ulrich Driesch bedanken, die mir freundlich geholfen haben.


Evelyne Lubert


Quelle: Mitteilungsblätter der Internationalen Siegfried Wagner Gesellschaft e.V., Bayreuth, XXXII, April 2003 (mit freundlicher Genehmigung der Autorin; leicht gekürzt)  
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